Klar, dass es soweit kommen musste. Einmal ein hochwertiger, verträglicher Zuckeraustauschstoff der auch noch schmeckt – da MUSS ja rasch eine “Anti-Studie” her.
Vermutlich kennt bald jeder diesen Beitrag der TU Braunschweig. Und: es wird vermutlich der am meisten zitierte Artikel wenn es darum geht ob Erythrit “gut” oder “böse” ist.
Natürlich hab ich mich sofort an meine kompetente Partnerin Dr. Monika Charrak (promovierte Chemikerin) gewandt und sie um eine Stellungnahme gebeten:
Monika – was sagst du zu diesem Beitrag? Ist jetzt Erythrit als “Fettmacher” zu bezeichnen?
Dr. Monika Charrak: Die Original Studie ist momentan noch nicht frei zugänglich, deshalb kann ich nur das beurteilen, was in dem Artikel steht. Wenn das tatsächlich mit dem Inhalt der Original Studie übereinstimmt, dann ist das gerade wieder mal ein Beispiel von einer ausgewachsenen Schrottstudie. Aber der Reihe nach:
Bullshit Nr.1:
„Erythrit ist keine Substanz, die wir einfach wieder ausscheiden. Sie hat eine Wirkung auf unseren Stoffwechsel. Das steht im Gegensatz zu allen bisherigen Annahmen.“
Aha. Kleiner Biochemie-Kurs gefällig? Dafür müssen wir nichtmal den dicken Biochemie-Wälzer aus dem Schrank holen, dafür reicht ein kleiner Blick in Wikipedia „Milchsäuregärung“: „Bei der heterofermentativen Milchsäuregärung kann die Phosphoketolase auch Fructose-6-phosphat als Substrat akzeptieren, dabei entstehen neben Acetylphosphat Erythrose-4-phosphat. Letzteres wird zu Erythrit-4-phosphat reduziert und nach Phosphatabspaltung zu Erythrit umgesetzt.“
Waaaahsinn, oder? Völlig neue Erkenntnis behaupten die Forscher. Hätten sie mal lieber vorher gegoogelt und sich diese Peinlichkeit erspart. 😉 Dieser Zusammenhang ist längst bekannt.
Wusstet ihr eigentlich, dass Erythrit großtechnisch durch Fermentation aus Glukose hergestellt wird? Unser Körper kann das auch. Was sagt uns das in Bezug auf den Konsum von Erythrit? ABSOLUT GAR NICHTS! Erythrit entsteht im Körper als Stoffwechselendprodukt, was danach damit passiert, so geben die Forscher zu, sei jedoch noch nicht geklärt (ist es zwar schon längst, aber das ignorieren sie einfach mal): „Eine Aussage darüber, welche Beziehung zwischen einer erhöhten Erythrit-Konzentration im Blut und einer einsetzenden Fettleibigkeit besteht, können die Forscher mit ihren bisherigen Ergebnissen allerdings noch nicht machen, so Hiller: „Das ist Gegenstand der nächsten Untersuchungen. Wir werden mit der Isotopenmethode nun die Stoffwechselwege rund um das Erythrit genau ausleuchten, untersuchen, wo es herkommt und wie es aus dem Körper verschwindet…“
Stichwort Stoffwechselendprodukt: auch Kohlendioxid und Wasser sind Stoffwechselendprodukte. Trotzdem nehmen wir davon nicht zu 😉.
Ich greife jetzt mal mutig vor und behaupte, dass das Stoffwechselendprodukt Erythrit ebenfalls ausgeschieden wird. Ist ja auch schon lange bekannt. Insofern könnten die sich weitere Studien auch sparen. Aber irgendwas müssen sie ja zu tun haben um ihren Lehrstuhl zu finanzieren.
Bullshit Nr. 2:
„Bisher war kein Stoffwechselprodukt bekannt, das als Früherkennungszeichen oder Biomarker für diese Gewichtszunahme – die unter Umständen zu Fettleibigkeit führt – dienen kann.“
Aha! Schonmal was vom HbA1c gehört? Ok, vielleicht nicht mit so einem schicken C13 markiert
Bullshit Nr. 3:
„Ein internationales Forschungsteam … hat eine chemische Substanz identifiziert, die als Früherkennungszeichen für eine einsetzende Fettleibigkeit genutzt werden kann.“
Aha! Die Stoffwechselwege (so die Forscher) seien noch nicht geklärt. Aber bezeichnen wir es doch gleich mal als Früherkennungszeichen. Interessant.
Bullshit Nr. 4:
Die Annahme, man könnte über den Nachweis von Erythrit sinnvolle Rückschlüsse auf eine beginnende Fettleibigkeit ziehen.
Also komplizierter geht’s nicht. Offensichtlich entsteht Erythrit aus Glukose. Was sagt uns das? Dass die lieben Studenten, die in der ersten Zeit auf dem Campus ordentlich zulegen, einfach zuviel Zucker futtert.
Zusammengefasst übersetze ich die Aussage der Studie (bzw. dieses Artikels) mal in „Normaldeutsch“:
Wir haben da gerade etwas herausgefunden, das schon seit Jahrzehnten in Biochemie-Büchern steht, aber weil wir unsere Forschung bitte gerne weiterhin finanziert kriegen wollen, tun wir mal so, als sei das neu und stellen eine (unbewiesene) Hypothese auf, die einen allseits beliebten Zuckeraustauschstoff in den Dreck zieht. Weil sowas erregt Aufmerksamkeit.
Peinlich, Leute! Einfach nur peinlich…
Danke Monika – und danke auch für den Link zu Wikipedia – wo ja alles “ach so erstaunlich Neue” steht….